Als ich 2014 von meiner ersten FOSDEM wieder nach Hause fuhr, nahm ich mir vor, diesen jährlichen Termin fest im Kalender zu vermerken. Das hatte auch bis 2016 geklappt, leider war ich dann zweimal in Folge nicht in der Lage an der FOSDEM teilzunehmen. Umso mehr hat mich gefreut, dass ich doch noch kurzfristig und trotz vieler anderer Verpflichtungen dieses Jahr wieder in die belgische Hauptstadt fahren konnte.
Los ging es am Freitag vormittag mit dem Zug. Beruflich fliege ich aktuell sehr viel, so dass es mir aus verschiedenen Gründen (Klima, Kosten, Bahncard) ein Anliegen war, die Strecke von Strande nach Brüssel im Zug zurückzulegen, was sich als komplizierter als gedacht erwiesen hat.
Ich hatte bereits die ganze Woche über versucht, mir ein Ticket für die Bahn zu kaufen. Erwartungsvoll wählte ich einen Zug (ICE Kiel-Basel, ICE Frankfurt/Main Brüssel) für den ich aber im ersten Schritt keinen Preis bekam. Soweit kannte ich das, also ließ ich mich zur Bahnseite für internationale Buchungen weiterleiten, gab mein Geburtsdatum (sic!, in Zeiten der DSGVO sollte das Alter eigentlich reichen) an und klickte hoffnungsvoll auf Weiter. Was danach geschah, konnte man nur als Systemfehler deuten, inkl. dem Hinweis man möge doch eine Mail schreiben oder eine Nummer (60ct pro Anruf) anrufen. Also tat ich, wie mir geheissen und schrieb eine Mail, die bis heute unbeantwortet ist. Auch in der Warteschleife der Hotline verbrachte ich einen Teil meines Lebens, helfen konnte man mir dann am Ende nicht. Ich will jetzt kein plattes Bahn-Bashing betreiben, aber es gibt da durchaus Verbesserungsbedarf. Am Ende bin ich dann am Freitag zum Reisezentrum in Kiel gefahren, persönlicher Kontakt ist einfach durch nichts zu ersetzen. Im ersten Moment konnte mein Gegenüber ebenfalls meine gewählte Reiseroute nicht mit einem Preis versehen. Doch die Herausforderung wurde angenommen, letztendlich bestand der Trick darin, den Zug bis zur Grenze und dann von der Grenze nach Brüssel einzeln zu buchen. Der Nachteil, wenn man das selbst zuhause macht ist, dass man für die Platzreservierungen zweimal zahlen müsste. Im Reisezentrum wurde dieser Umstand direkt adressiert und mir der zu Hohe betrag “gutgeschrieben”.
Mit vielen Blättern Papier und einem 10 EUR Gutschein verließ ich dann gutgelaunt das Reisezentrum Richtung Zug. Die weitere Fahrt verlief so dermaßen ereignislos, dass ich sie hier gar nicht weiter ausführen möchte. Meine historisch weitestgehend guten Erfahrungen mit der Deutschen Bahn wurden abermals bestätigt, Shit happens aber ich kam auf die Minute in Brüssel Midi an.
Der öffentliche Nahverkehr in Brüssel ist ziemlich modern, was übersetzt soviel bedeutet, dass es wahnsinnig kompliziert ist, wenn man sich das erste mal damit beschäftigt und man bei egal welchem Kauf immer das Gefühl hat, die falsche Option gewählt zu haben. Ich habe beim letzten Mal den Tipp mitgenommen, dass man sich (anonyme) RFID-Karten kaufen kann, die man immer wieder auflädt. Das macht dann für 10 Fahrten 5 EUR für die Karte und 14 EUR für die Fahrten. Statt den üblichen 2,10 EUR pro Fahrt zahlt man also 1,40, die 5 EUR verteilen sich über die kommenden Jahre, mit dem ersten Kauf spart man bereits 2 EUR. Beim nächsten mal sind das dann 7 EUR und das sind schon fast 2 Bier. :-)
Weiterhin sei noch der Hinweis angebracht, dass man beim Wechsel des Verkehrsmittels die Karte immer scannen muss, das kostet nichts extra, aber wenn man es nicht macht und kontrolliert wird, dann kostet es ordentlich extra.
Ausgestattet mit meinem neuen Finanzoptimierungskonzept fuhr ich zum Check-in ins Hotel (MotelOne), machte mich frisch und fuhr dann zum ersten FSFE-Get-Together ins Goupil le Fol, einer verwinkelten Kneipe, wo wir einen kleinen Raum hatten.
Während sich in den letzen Jahren meine Online-Identität nicht verändert hat, haben die mir gar nicht so bewussten Veränderungen in meinem Gesicht für diverse Wiedererkennungsprobleme gesorgt, aber nachdem das geklärt war, war es ein schönes Wiedersehen und Kennenlernen.
Später bin ich dann noch weitergezogen, hier verliert sich meine Spur in der Nacht…
Der Samstag begann dann mit leichten Anlaufschwierigkeiten, aber nach einem feinen Frühstück in einer nahegelegenen Bäckerei brach ich dann zur ULB auf. Als ich ankam, lief bereits die Keynote von Bradley Kuhn und Karen Sanders, die sich mit der Frage beschäftigte, ob man in seinem Leben komplett auf Freie Software setzen kann. Ich bin dann aber nicht ganz bis zum Ende geblieben, weil ich im vollbesetzten Auditorium nur einen Platz auf einer Kante fand, was mir dann doch zu unbequem wurde. Aber heise.de hat den Vortrag gut zusammengefasst.
Die FOSDEM ist nicht nur das Klassentreffen der FSFE sondern auch der größte FSFE-Merchandising-Verkauf. Also führte mich mein nächster Weg direkt dorthin und das hochmotivierte Stand-Team strahlte meine verbliebene Müdigkeit weg. Nun wollte ich eigentlich Vorträge besuchen gehen, allerdings liefen mir ständig alte Gesichter über den Weg, und mal im Ernst, die Vorträge kann man hinterher auch noch schauen, bei der FOSDEM geht es um die Menschen. Also führte ich viele schöne Gespräche mit alten und neuen Bekannten und verbrachte so die erste Tageshälfte.
Nichtsdestotrotz fand ich noch meinen Weg zu einigen Vorträgen wie über die Nutzung der AGPL oder einem Panel zu Activity Pub. Die AGPL bekam zuletzt durch den Entschluss von MongoDB, eine eigene “Non-Cloud”-Lizenz, die naturgemäß nicht frei im Sinne der FSFE und OSI ist, etwas mehr Aufmerksamkeit. John Sullivan besprach wo die AGPL hilft, und auch wo sie nicht hilft. Insgesamt wird uns das Thema SaaSS (Server as a Software Substitute) wohl noch viel mehr beschäftigen müssen. In der Free Software-Community gibt es starke Bestrebungen, dass Thema Privacy stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Aber das kann eine Lizenz in der Form nicht leisten, ohne unfrei zu werden, doch man merkt deutlich den ethischen Anspruch bei den Freie-Software-Aktiven.
Auf Activity Pub war ich durch den Microblogging-Dienst Mastodon aufmerksam geworden. Es ist eine kleine aber feine Spezifikation für Web-basierte soziale Netzwerke, die föderieren sollen. Auch wenn sie noch Lücken hat, ist es aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und ich hoffe darauf, dass das Fediverse die kritische Masse erreicht, die es verdient.
Am Abend bin ich dann mit einigen Freunden losgezogen, das FSFE-Treffen hatte ich aber ausgelassen. Das Highlight war sicher die Portion Muscheln mit Pommes. Muss ich nicht jeden Tag haben, aber war ziemlich lecker. :)
Der Morgen begann etwas schwungvoller als am Vortag, obwohl die Nacht sogar etwas kürzer war. Das heisst wohl, dass ich mich nun im vollen FOSDEM-Modus befand, ein schönes Gefühl.
Nach einer morgendlichen Begrüßungsrunde nahm ich mir die Zeit, die verschiedenen Projektstände abzuklappern. Natürlich ging es vor allem um Sticker, aber ich habe auch zwei Projekte gefunden, die ich nicht kannte und die für mich sehr relevant sind.
SystemTestPortal ist eine Test-Management-Plattform, die zum Beispiel beim Linage-Projekt zum Einsatz kommt. Im Grunde werden die verschiedenen Testszenarien zu einem Produkt angelegt. Nach einer Änderung wird dann eine neue Version angelegt, zu der sämtliche Szenarien durchgetestet werden sollen. Natürlich ist Testautomatisierung besser, aber erfahrungsgemäß wird es immer einen Platz für manuelle Tests geben und für diese Fälle ist dieses Tool.
Das andere große Ding waren die TechKids aus Bonn. Dieser Verein bringt Kinder und Freie Software zueinander, was insbesondere durch den Einsatz von Skolelinux passiert. Das Skolelinux-Projekt wird für Deutschland ebenfalls aus dem Umfeld des Vereins vorangetrieben. Beim netten Plausch erfuhr ich nebenbei, dass es in Schleswig-Holstein bereits 10 Schulen mit Skolelinux gibt und mir wurde ein Kontakt zur Person dahinter vermittelt.
Den Rest des Vormittags verbrachte ich mit Kaffee und einem leckeren veganen Sandwich (eigentlich wollte ich Käse, aber irgendwie bekomme ich immer gegrilltes Gemüse) und dem schreiben dieses Blogs. Anschließend ging ich zu einer Verabredung in ein gemütliches Bio-Bistro. Von dort kehrte ich gestärkt aber einigermaßen müde zur sich langsam in Auflösung befindlichen FOSDEM zurück.
Der Versuch, noch einen Vortrag zu besuchen, scheiterte an der Platzsituation und so blieb es bei netten Unterhaltungen, z.B. über Privacy IDEA.
Meine FOSDEM endete mit dem Abbau des FSFE-Stands inkl. Abstransport.
Anschließend gingen wir gemeinsam Pommes essen und verbrachten noch einige gemütliche Stunden. Den Abschluss machte ein längerer Spaziergang durch Brüssel und ein Absacker an der Hotelbar.
Nach dem obligatorischen Kauf von Mitbringeln sitze ich nun im Zug nach Hause schreibe die letzten Zeilen hier und schwelge in Erinnerungen an die FOSDEM und der Vorfreude darüber, bald wieder Zuhause zu sein.